Thea Dorn sucht Trost
In der Nähe der Fatwa
Thea Dorn äußerte sich Anfang Februar im
Interview mit dem Philosophie Magazin zu ihrer
Einschätzung des politischen Pandemiemanagements.
Anlass: Ihr neues Buch „Trost“. Die Schlagzeile des
Artikels lautet: „Todesvermeidung um jeden Preis bringt
uns in eine existenzielle Aporie“. Das ist ein
Dorn-Zitat aus dem Gespräch, das Svenja Flasspoehler
geführt hatte.
Was bedeutet es? Wie so oft ist Thea Dorn
in ihrer Argumentation nicht ganz klar. Wir sollen uns,
so lässt sich ihr Credo übersetzen, gegen die
Infektionsgefahr „auch mit seelischen Widerstandskräften
wappnen“, damit das von ihr leidenschaftlich geforderte
„Zurück ins Leben“ nicht eine leidvolle Reise über den
Jordan wird. Das ist antizivilisatorisch gedacht.
Während doch andererseits, so sagt sie ja, gegen die
Trägheit des stoischen Menschen die Zivilisation mit
„Machermentalität“ geradezu erkämpft werden musste.
Sind die „seelischen Widerstandskräfte“
also eher als eine bislang verschüttete Form der
Rationalität gedacht? Das wäre dann widersprüchlich;
denn im Moment sind bei der Pandemiebekämpfung jede
Menge Menschen mit Macher*innen-Mentalität und
rationalen Motiven recht erfolgreich unterwegs. Das
schließt den demokratischen Prozess ein, der ja
wahrscheinlich unbestritten eine Form von Zivilisation
darstellt.
Dass Todesvermeidung - ein hoher Wert in
der Zivilisation - schnurgerade in eine Zwangslage
führen würde, wenn sie „um jeden Preis“ betrieben würde,
das ist seit Schäubles Diktum vom vergangenen April
(Tagesspiegel) ein Gemeinplatz. Es geht aber gar nicht
um „jeden Preis“, sondern um Einschränkungen, die zwar
wirklich das Lebensgefühl beeinträchtigen, aber einen
Sinn haben.
Diese Einschränkungen in die Nähe einer
Fatwa zu bringen (Thea Dorns Namedropping: Salman
Rushdie), ist starker Tobak und wahrscheinlich den
durchaus verständlichen PR-Gründen zu verdanken.
Wolfgang Kerkhoff
| 28.2.2021 |
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Hans Baldung: Der Tod und
die Frau, 1518/20 (Kunstmuseum Basel), commons.wikimedia [Ausschnitt]
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