"Kunst ist nah"
Museum St. Arnual: Anmerkungen zur
Gemeinschaftsausstellung von
Künstler°innen aus Daarle und Umgebung (3. April bis 22.
Mai 2022)
Wir haben diese Ausstellung unter das
Motto gestellt: „Kunst ist nah“. Das bedeutet mindestens
zweierlei. Erstens: dass man in unserem Stadtteil nicht
weit laufen muss, um gute Bilder zu sehen. Zweitens aber
auch: dass Kunst nah am Leben ist. Man erkennt vertraute
Winkel des Heimatdorfes, vertraute Objekte wie die
Smoothies oder den Fisch (der in diesem Fall allerdings
transpiriert), man erkennt aber auch Details, die
irritieren, weil sie – wie das Auge – aus ihrer normalen
Umgebung herausgenommen und mit einer eigenen Botschaft
versehen sind.
Eine beachtliche Bandbreite
Zu sehen sind rund vier Dutzend kreativer Arbeiten.
Deren Bandbreite ist beachtlich, sowohl von den
Techniken als auch den Motiven und Stilen her. Abstrakte
Formen, Straßenszenen und Landschaften hängen neben
Stillleben und Porträts. Acryl, Aquarell, Tusche und Öl
auf Leinwand sind ebenso vertreten wie Mischtechnik und
Collage. Einige Exponate befinden sich im Eigentum des
Heimatvereins, andere sind Leihgaben der
Landeshauptstadt, die meisten stehen aber auch zum
Verkauf.
Man braucht über die ausgestellten Werke nicht viel zu
sagen, sie sprechen, so soll es ja auch sein, für sich
selbst. Aber eine kleine Tour d‘horizon zu den
Künstler°innen sollten wir machen. Es ist ein recht
buntes Kollektiv, das hier zusammengefunden hat. Das
sieht man auf den ersten Blick. Sie kommen aus Daarle
und seiner Nachbarschaft, und ich beginne mit denen, die
heute nicht selbst dabei sein können.
>> Ute Lehnert, gestorben 2018, zählt zweifellos zu den
renommiertesten Künstler°innen des Saarlandes. Sie
studierte in den Fünfzigerjahren an der Werkkunstschule
Saarbrücken. Eigentlich war sie Grafik-Designerin, aber
sie fühlte sich „magnetisch zur Malerei hingezogen“, wie
sie selbst einmal sagte, sie arbeitete lieber als
freischaffende bildende Künstlerin als im Auftrag von
Firmenkunden.
2014 wurden im Museum St. Arnual ihre aktuellen Arbeiten
gezeigt. Als Motto hatte Ute Lehnert gewählt: „Pour mon
quartier“, eine Reverenz an den dörflich gebliebenen
Stadtteil, in dem sie seit 1998 und für lange Zeit ihr
Atelier hatte.
Ute Lehnert lässt Farben sprechen. In guter Erinnerung
ist die „Venus von Daarle“, ein robustes Gemälde in
Rot-Gelb-Grün-Orange, das die Künstlerin 2018 für einen
speziellen Ort im Museum St. Arnual geschaffen hat. 2020
gab es die Retrospektive „Vehement“, kuratiert von
Tochter Claudia Lehnert. Leider war die Ausstellung
wegen der Pandemiebeschränkungen für das Publikum kaum
wahrnehmbar.
„Ein wunderbarer Mensch“
>> Hein Bender, Jahrgang 1920, lebte von früher Kindheit
an bis zu seinem Tod 1987 in St. Arnual. Er hat in
Weimar und Kaiserlautern studiert, schloss seine
künstlerische Ausbildung aber ebenfalls an der
Saarbrücker Schule für Kunst und Handwerk ab. Seinen
Namen bringt man heute noch in Verbindung mit dem
legendären Saarbrücker Künstlerkeller. Das war ein
Szene-Treffpunkt in St. Johann, dahinter stand der
Künstlerbund „Iris“, dessen treibende Kraft wiederum
niemand anderes als Hein Bender war.
Der Künstler verstand sich im Übrigen
auch als Vermittler, und deshalb gab er gerne
Einsteiger- und Fortgeschrittenenkurse in Malerei,
beispielsweise für den Malclub Saar. „Ein wunderbarer
Mensch und Freund“ – so lautete ein Urteil von
Absolvent°innen seiner Kurse. Er beherrschte viele
unterschiedliche Maltechniken und hat sich mit
stilvollen Dorfansichten von St. Arnual und fiktiven
Orten einen Namen gemacht.
>> Hans-Joachim Müller (1909-1994) hat gleich an zwei
Münchner Akademien studiert, der für Bildende Künste und
der für Darstellende Kunst, wo er auch in Gesang
unterrichtet wurde. Aber er blieb immer Saarbrücker.
„Als Stadtmaler durchstreifte er sein Territorium,
suchte Motive und natürlich auch den Kontakt zu den
Menschen. Mit Hut und einer Virginia im Mundwinkel
trottete er im Sommer zum St. Johanner Markt, ließ sich
in einem der vielen Straßenlokale nieder und suchte bei
einem Glase Wein das Gespräch über die Kunst und das
Leben.“ So steht es jedenfalls im 2. Daarler Heimatbuch
von 1991.
Dort findet man auch den Hinweis, dass er von vielen
liebevoll als „König von Daarle“ angesprochen wurde ...
***
Bei uns sind heute fünf Künstler°innen,
der Männeranteil beträgt 20 Prozent, da ist noch Luft
nach oben. Sie sind Mitglieder des Heimatvereins, haben
also auch ein Heimspiel.
Mit Liebe zum Detail
>> Ich beginne mit dem rätselhaften G.W.B., von dem die
wenigsten wissen, wer sich hinter dem Künstlernamen
verbirgt. Es heißt, er sei ein echter Daarler, der
früher als Grafiker gearbeitet hat, sich jetzt der
Malerei widmet und bunte Straßenszenen sowie Porträts
und Stillleben vorlegt.
2019 hat er hier im Museum ausgestellt. Die
Kunsthistorikerin Nicole Baronsky-Ottmann urteilte
damals: „Der frühere Designer G.W.B. legt sich
stilistisch in seinen Gemälden nicht fest, man kann sie
nur schwer einem bestimmten Genre zuordnen. Klar ist
aber, dass G.W.B. sowohl künstlerische Techniken, als
auch Komposition und Aufbau eines Gemäldes beherrscht.“
Typisch für ihn sei die Liebe zum Detail, „wie bei
Designern üblich“. Denn: „Wie in der Werbefotografie
setzt G.W.B. beispielsweise drei Champagnerkorken samt
Körbchen groß in Szene.“ Eine gewisse Nähe zum
Fotorealismus lässt sich auch in unserer jetzigen
Ausstellung feststellen.
„Auch zum Staunen“
>> Birgit Kunz stammt aus dem St. Wendeler Land und lebt
heute als freischaffende Künstlerin in Zweibrücken. Sie
studierte unter anderem an der Akademie der Bildenden
Künste in Karlsruhe. „Dort hat sie sich die
handwerklichen Grundlagen für ihre Kunst erarbeitet, mit
einem beachtlichen Spektrum von der Malerei über
Holzschnitt und Radierung bis hin zu Buchbinden,
Schweißen und Kupfertreiben“, hieß es im Januar bei der
Vernissage zu ihrer Ausstellung „Allerlei Geschichten“
hier im Museum St. Arnual.
Damals ging es um Radierungen, und schon wenn man die
Einträge ins Gästebuch als Maßstab nimmt, war es eine
sehr gelungene Sache: „einfach wunderbar“ schrieb
jemand, „zarte Bilder“ eine andere, „Zum Träumen und
Schmunzeln, aber auch zum Staunen“ wieder ein anderer.
Was sie noch machte, kam beim Publikum ebenfalls gut an:
In einem „Werkstattgespräch“ hat sie die Kunst des
Radierens nahe gebracht – in einem wörtlich Sinn von
„nahe“, denn sie brachte Werkzeuge und Materialien zum
Anfassen mit. Eine ganz andere Variante unseres Mottos
„Kunst ist nah“ …
Eine wiederentdeckte Liebe
>> Für Hannelore Stollhof, in der Saarpfalz geboren, war
schon früh Malen und Zeichnen die
Lieblingsbeschäftigung. Es war ein Glücksfall, dass sie
an ihrem Gymnasium in Homburg – heute Mannlich-Gymnasium
– Herrmann Juncker als Lehrer hatte. Dieser bekam 1966
den Pfalzpreis für bildende Kunst (Malerei) und 1981 den
Daniel-Henry-Kahnweiler-Preis. Juncker sah, was
Hannelore konnte und förderte sie aktiv. Das von ihm
vorgeschlagene Kunststudium konnte sie bei ihren Eltern
allerdings nicht durchsetzen, so dass sie nolens volens
Germanistik, Romanistik und Geografie belegte.
Nach Studium, Heirat und Familiengründung wurde sie in
Saarbrücken – ab 1976 in St. Arnual – heimisch. In
dieser Zeit betätigte sie sich kaum in Sachen Kunst, sie
schreibt selbst: „Erst während der Bewältigung einer
schweren Erkrankung kam das Interesse und die Liebe zur
Malerei wieder.“ Sie absolvierte Kurse, wurde Mitglied
im Kunstverein und unternahm eine Reihe von Malreisen,
meist in den mediterranen Raum. Sie versteht sich als
Freizeitkünstlerin und liebt die Aquarellmalerei. Sie
nahm an mehreren Gemeinschaftsausstellungen teil,
stellte aber auch allein aus, so auch vor drei Jahren im
Museum St. Arnual.
>> Dorothee Willie ist gebürtige Daarlerin und lebt
heute im Mandelbachtal. Sie ist Acryl- und
Aquarellmalerin „aus Leidenschaft“, wie sie sagt. Blumen
und Landschaften sind beliebte Motive. 1988 fing alles
an. Zuerst mit Seidenmalerei, dann ging sie aber schnell
ihren Weg zur Aquarellmalerei. Inspiration holt sie sich
vom Kunstverein Saar, in dessen Vorstand sie auch aktiv
ist. Sie gibt ihr Wissen und ihre Erfahrung gerne
weiter. So konnte sie auch die Kunstszene ihres
Heimatortes Daarle aktiv unterstützen.
Ihre Motive sind oft mehr oder weniger abstrahiert, mit
einem Akzent auf dem Wesentlichen eines visuellen
Eindrucks. Dorothee Willie mag leuchtende Farben. Man
sieht es an den Bildern, die hier zu erleben sind.
„Eine Ermunterung, die eigenen kreativen
Talente zu entdecken und zu entfalten“
>> Unser Vorstandsmitglied Karoline Zägel
wohnt in Merchweiler, hat aber die meiste Zeit ihres
Lebens in St. Arnual verbracht. Letztes Jahr stellte sie
selbst hier im Museum aus, damals unter dem Titel „Von
allem“. Das stand dann auch für die Vielfalt ihrer
Motive und ihres kreativen Schaffens. Die Autodidaktin
malt mit Acrylfarben, hat ihre Wachs-Enkaustik
verfeinert, arbeitet mit Beton, Stein und Pappmaché,
neuerdings auch mit Airbrush-Technik. Seit 2005 ist sie
künstlerisch tätig. Was gab ihr den Impuls dazu? Sie
erzählt: „Eine Tages waren wir in der Stadt unterwegs.
Im Schaufenster einer Galerie sah ich ein Gemälde, das
fast nur aus einer weißen Leinwand und einer Handvoll
Strichen bestand. Da habe ich mir gesagt, das kann ich
besser.“ Schon ein Jahr später gab es in Merchweiler die
erste Ausstellung.
***
Ich schließe mit einem Zitat des leider
verhinderten 1. Vorsitzenden des Trägervereins, Helge
Stoll: „Unsere Ausstellungen im Museum St. Arnual sollen
immer auch eine Ermunterung dazu sein, die eigenen
kreativen Talente zu entdecken und zu entfalten. Ich
denke, dazu ist die Präsentation ‚Kunst ist nah‘ ein
guter, weil vielfältiger Beitrag.“
Wolfgang Kerkhoff
| 3.4.2022|
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Wolfgang
Kerkhoff: "Wer war der König
von Daarle? – Versuch einer
Dokumentation"
(Vortrag zum
Internationalen
Museumstag am 15. Mai 2022)

Rot II von Ute Lehnert

Dorfmotiv von Hein Bender

Impression von Ibiza –
Hans-Joachim Müller

G.W.B. zeigt den
"transpirierenden Fisch"

"Durchblick" heißt diese
Arbeit von Birgit Kunz

Teil eines Triptychons
von Hannelore Stollhof

"Am Bach" von Dorothee
Willie

Karoline Zägels
"Korkfrau"
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